Samstag, 22. Juni 2019

Opa: Ech haa wat for dat Kend

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Net alles basst: In der frühen Jugend passt nicht immer alles, auch wenn man "cool" sein will. (Bild/ Gestaltung: EW/ wellSi-made)



Det Annika koam itz eh e schweres Ahler. Se woar drizze un woar oft ohzefreere un feng schwenn ah zo löarrn. Dat kreejen och dr Opa Kurt unn de Oma Ingrid met, wenn‘se moa bi dn Kennern woaren. Als et werrer schlemm woar, säete hä moa zo sinnr Tochter, der Moarer va dem Annika: „Jule, dat Kend hulwert awwer oft - or nur, wenn mir doa sinn?“ „Nä, sosst och. Dat ess ee demm Ahler woahrl so. Moal esset bi de Hausaufgaben, e annermoal, wenn e dr Schoarl onner den Jongedengern wat woar orrer net gebasst hätt.“
„Wenn et daa so oft hulwert, wössde ech wat“, verzährlte nu schmunzelnd der Opa. „Fahrt em Herwst a dn Ring, aa de Mosel or Nahe. Sowitt ech weiß, wird dort alle Joahr ne Winnkönijin gewährlt. Da kaa ett betmache!“ Det Jule säete nur: „Papa!!“ Georg Hainer


Hochdeutsch

Ich habe was für das Kind
Annika kommt jetzt in ein schwieriges Alter. Sie war 13 und oft unzufreiden und fing schnell an zu weinen. Das bekamen auch Opa Kurt und Oma Ingrid mit, wenn sie einmal bei den Kindern waren. Als es wieder schlimm war, sagte Kurt zu seiner Tochter, der Mutter von Annika: „Jule, das Kind heult aber oft - oder nur, wenn wir da sind?“ „Nein, sonst auch. Das ist in dem Alter wohl so. Mal ist es bei den Hausaufgaben, ein anderes Mal, wenn in der Schule unter den älteren Kindern was war oder was nicht gepasst hat.“
Wenn es dann so oft weint, wüsste ich etwas“, erzählte nun schmunzelnd der Opa. „Fahrt im Herbst an den Rhein, an die Mosel oder Nahe. Soweit ich weiß, wird dort jedes Jahr eine Weinkönigin gewählt. Da kann sie mitmachen.“ Jule sagte nur: „Papa!!“ Georg Hainer


Siegerländer Mundart, immer mit Übersetzung, sowie Bilder, Magazine zur Heimat Siegerland und natürlich die große Mundartliste gibt es immer auf der Homepage www.buch-juwel.de 

Mittwoch, 3. April 2019

Ein Stein der Erinnerung

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Hellgrau der alte Stein,vom Wasser des Doberbaches bei Rattendorf im Gailtal bearbeitet. Ein Erinnerungsstück an Urlaub früher. (Alle Fotos: (c)presseweller)


Der Stein auf dem Fensterbrett weckt Urlaubs-Erlebnisse aus den 1960ern




(April 2019). Rundlich, etwas unförmig, wie ihn der Bergbach geschliffen hat, liegt der Stein auf einem Fensterbrett. Jedes Mal, wenn ich in mein Büro gehe, sehe ich ihn wie verschiedene andere Stücke. Beschriftet hat ihn meine Mutter. So komme ich manchmal in Gedanken, womit der Stein aus dem Sommer des Jahres 1967 im wahrsten Sinne des Worte zum „An-denken“ wird, besser zum „Daran-denken“ einlädt, ein schönes Stück der Erinnerung.



Der graue Stein trägt die Beschriftung „Rattendorf 6. Juli 1967 Gailtal“. Es war in den 1960ern bereits das fünfte Mal, dass wir in diesem zauberhaften Örtchen im südwestlichen Kärnten zwischen Karnischen und Gailtaler Alpen unseren Urlaub verbrachten. Wir hatten schöne Zimmer in einem großen bodenständigen Bauernhof, bei Trobei, in dem wir auch später noch öfter zu Gast waren. In Kärntner Bauweise war alles unter einem Dach: die großzügigen Wohnräume auf zwei Etagen, die riesige und mit dem Traktor befahrbare Scheune und der Stall mit Kühen und Schweinen; angrenzend die große Obstwiese, die wir Jugendlichen in einem der Vorjahre bei Fahrversuchen mit dem Weltkugel-Ford "durchpflügt" hatten. Klar, das kam bei den Eltern beiderseits nicht gut an.
Schön: Die Kinder am Hof waren im ähnlichen Alter wie wir. In manchen Jahren waren Freunde,Verwandte wie Tante Barbara und Bekannte mit. Alle hatten ihre Freude an dieser Berglandschaft und dem dörflichen Leben, das noch weit ursprünglicher war als unser städtisches. Freundliche Gastgeber, überall nette Menschen, die mit „Grüß Gott“ grüßten - wie wir es auch erwiderten. Den damaligen Slogan für Kärnten, „Urlaub bei Freunden“ konnten wir und können wir bis heute nur bestätigen. Gefunden hatten den Stein die Eltern bei einem Spaziergang am Doberbach, dem Bergbach. Er mündet in die Gail.





Hier am Doberbach in Rattendorf, der in die Gail mündet - er ist der Ursprung des Steines. (Alle Fotos/ Archiv (c) presseweller, Prw)


Führerschein und Anfahrt
Im Jahr zuvor, 1966, den Führerschein gemacht, war es für mich eine Freude, die über 800 Kilometer aus der Heimat bis ins südwestliche Kärnten fahren zu dürfen. Das Auto war nach den zwei älteren Fords 12 M mit der Weltkugel ein weißer 12 M P4 mit roten Sitzen. Der Motor leistete 40 PS. Anders als bei den Vorgängern bot die Lenkradschaltung vier statt drei Vorwärtsgänge. Papa saß vorne neben mir auf der Sitzbank. Auf der Rückbank war neben meiner Mutter auch Tante Barbara dabei sowie meine damalige Freundin und spätere Ehefrau Edeltraut dabei. Sie kannte Dorf und Landschaft ebenso, weil sie wie ich bereits Anfang der 1960er mit ihren Eltern dort war. Damals hatten wir uns mit gleich drei Familien auf den langen Weg gemacht. Zu diesem Urlaub fuhren wir weitestgehend abseits der Autobahnen und über Passstraßen wie Gerlospass und Großglockner. Daher waren wir knapp drei Tage unterwegs - eine lange, aber erlebnisreiche Anreise. Ab Mitte der 1960er wählten wir direktere Wege und kalkulierten je nach Route immer so knapp neun bis zwölf Stunden ein.



Das war damals schon ein Erlebnis: über den Großglockner zu fahren!


Die Autoverladung Böckstein - Mallnitz war öfter schon ein Teil unseres Weges ins Kärntner Gailtal.

Wir fuhren zum Beispiel über Bad Gastein bis Böckstein zur Autoverladung, dann huckepack mit dem Zug durch die Tauern nach Mallnitz in Kärnten und weiter. Eine Alternative war auch die Fahrt über Fern- und Reschenpass, Italien, Pustertal, Sillian, Lesachtal, Gailtal; später Tauernautobahn und Felbertauernstraße, die wir nach wie vor sehr gerne fahren. Aber schauen wir weiter, was solch ein Erinnerungsstein noch alles zu erzählen weiß und unser Gedächtnis zum Trab erweckt. Es ist eine Güte, dass wir das alles erleben durften, und es ist immer wieder ein Teil der Wunder des Lebens, dass so vieles noch irgendwo im Kopf abgespeichert ist.


Das ist Rattendorf - Foto aus 2018 -, Ziel unserer ersten Urlaubsreisen. Wunderschön ist die Ansicht mit dem Gartnerkofel im Hintergrund. 


Schönes Dorf – Gutes Essen
Im Sommer war Rattendorf beliebt und belebt. Viele Gäste, neben anderen auch zahlreiche Berliner, fanden hierher. Das schöne Dorf mit dem Bergpanorama und der günstigen Lage wirkte und wirkt anziehend. Heutzutage hat es im Sommer und Winter viele Gäste. Im Ort selbst gab es damals noch drei Gasthöfe. Zum Mittagessen gingen wir zum „Schoba“, Gasthof zum Reiter, mit dem großen Gastraum, einer Musikbox und wohlschmeckenden Speisen, von der Kärntner Nudel über Schweins- und Zwiebelrostbraten bis zum Wiener Schnitzel und vielem mehr. Das Lokal war so gut besucht, dass wir öfter anstehen und - wie auf dem Foto - auf einen freien Platz warten mussten. Früher aß man im Urlaub eher zu Mittag statt zu Abend ein warmes Gericht oder Menü.


Vorm Gasthaus "Zum Reiter", Schoba. Das Haus war gut besucht. 

In einem Jahr ließen wir die Musikbox, die "Rock ola" hieß, öfter diesen Ohrwurm „Amapola“ spielen. Zwei Gaststätten ohne große Restauration, in denen wir manchmal abends auch länger auf Limo, Mineralwasser, ein Bier oder ein Glas Wein einkehrten, gab es direkt schräg gegenüber von unserem Domizil. Klar, diesen österreichischen sehr hochprozentigen Rum haben wir leicht verdünnt ebenfalls schon probiert. Meist nahmen wir eine Flasche für Grog und Co. mit nach Hause. 



Ein deftiger Schweinsbraten mit Knödeln und Kartoffeln und - auf separatem Teller - Salat.


Ein anderer bekannter größerer Gasthof war Schabus in Jenig, wo wir ebenfalls manchmal einkehrten. Wir gingen die Strecke nach Jenig über die Gailbrücke hin und wieder zu Fuß, was auf dem Rückweg zugleich ein Verdauungsspaziergang war. Mit dem Auto waren es um die zwei bis drei Minuten. Das Essen war reichlich und gut. Wie bei Schoba kamen viele Produkte vom eigenen Bauernhof auf den Tisch, vom Salat und Gemüse bis zum Fleisch. "Wiener Schnitzel", als Schweine- und - klassisch - als Kalbsschnitzel angeboten, kannten wir damals noch gar nicht. Es war diese "Regionale Küche", die heute stetig beworben wird, damals meist aber selbstverständlich war. Die Gerichte selbst und der Geschmack waren anders als zu Hause, wohl ein guter oder der besondere Urlaubsgeschmack. Urlaub beflügelt eben nicht nur die Sinne, sondern auch den Gaumen.

Bei den Getränken mussten wir ebenfalls umdenken. Das begann beim Kaffee, den es in verschiedenen Ausführungen gab, vom "kleinen Braunen" bis zum "verlängerten Schwarzen". Wir tranken auch andere Limonaden als hier, zum Beispiel die fruchtige "Schartner Bombe" oder den quirligen "Almdudler" - nur als Beispiele (und mit diesem Hinweis auf eventuelle Markenrechte). Das gilt auch fürs Bier. Die Väter tranken damals "Gösser Märzen". Von zu Hause aus war für die Erwachsenen zu damaligen Zeiten auch einmal ein "Schnäpschen" ein Thema - hier im Urlaub war es der Obstler. Die meisten Höfe hatten (haben teils noch) ein "Brennrecht". Meist wurde der Schnaps aus Birnen oder Äpfeln gewonnen. Ein "Stamperl", wie das etwas größere Gläschen als bei uns zu Hause gewohnt heißt, passte mal nach dem Essen oder zum Auftakt einer gemütlichen Runde. 


Ein Genuss, die "Brettljause", hier mit allem Drum und Dran, vom Almkäse bis zum Verhackerten. 
Wir kennen sie so lange. Bis heute ist sie ein Gaumenschmaus für uns. 


Natürlich lernten wir die Kärntner Nudel und die anderen Spezialitäten kennen, den Kuchen Reindling, den würzigen Gailtaler Speck, die Hauswurst, eine Art Mettwurst, das Verhackerte und den auf den Almen erzeugten schmackhaften Käse - örtlich traditionell gefertigt, hausgemacht. Heute gebraucht man auch das Wort "authentisch" dafür. Eine kleine Zusammenstellung davon musste und muss immer mit nach Hause als geschmackliche Urlaubserinnerung. Meist servieren wir unseren Freunden und Bekannten dann die bekannte "Gailtaler Brettljause" mit den Spezialitäten.

Unterhaltung und Abwechslung
Bei Schoba in Rattendorf gab es am Wochenende hin und wieder Tanz im Saal über dem Restaurant. Bei Walzer, Polka und moderneren Stücken bebte der Boden. Die Eltern nutzten das gern, und unsere Gastgeber gingen mit. Das dehnte sich dann nach dem Tanzvergnügen nicht selten bis zum frühen Morgen aus. Allerdings mussten unsere Gastgeber morgens wieder früh raus, um die Tiere zu versorgen, denen war es schließlich egal, ob es Samstag- oder Sonntagmorgen war.
Das Feiern, das tägliche Miteinander, einschließlich abendlicher Gespräche am Kachelofen im Wohnraum, und das „Sich-gut-verstehen“ bedingten, dass die Familien bald freundschaftlich verbunden waren und bis heute sind. Mein Vater  ging auch gern zum Schmied im Dorf, um sich zu unterhalten. Er kannte das aus "seinem" Dorf im Westerwald. Aufgrund der Spaziergänge im Ort gab es Kontakt zu anderen Einwohnern. Beim nächsten Besuch „kannte man sich“ schon.
Es kam auch ein "Wanderkino", ein mobiles Kino. Gute Geschichte, weil man sonst in einen größeren Ort musste, um sich Filme anzuschauen. Wir waren einmal dabei. Der Saal in Jenig oberhalb des Schabus-Gastraumes war gut gefüllt. Wenn auch zwischendurch einmal kurz Stillstand war, weil sich der Zelluloid-Filmstreifen falsch eingefädelt hatte, war das unterhaltsam und eine abendliche Abwechslung. Leider gibt mein Gedächtnis nicht her, welcher Film es war.   

Die vielen Möglichkeiten, die sich aufgrund der Ortslage ergaben, erschlossen sich nicht nur in diesen Begebenheiten. Am Doberbach galt es, bis zum Wasserfall zu spazieren oder sich flache Steine auszusuchen, um sie übers Wasser springen zu lassen. Dann war da noch die Rattendorfer Alm. Bergauf entlang des Waldes dauerte die Wanderung mit knapp zwölf Kilometern beim ersten Mal über vier Stunden. Geschafft. 

Der Berganstieg über den damals noch nicht so gut ausgebauten Weg dauerte für uns lange. Vor dem Almgebäude stand noch das Butterfass, das fleißig gedreht werden musste. 

Wenn man den Weg hoch aufs Almgelände kommt, sieht man das Bergmassiv und begegnet hier und da einer Kuh.


Ein neueres Foto von etwas oberhalb der Alm mit weitem Ausblick übers Tal.  

Hier oben wurde und wird Käse gemacht. Zu essen gab es Bodenständiges, Einfaches – schmackhaft und sättigend. Wiesen mit blauem Enzian, "Almrausch" und mehr ließen unsere Augen leuchten. Gut zwei Stunden sind wir einmal mit Führung durch einen Sohn unseres Gastgebers noch weiter gegangen, um Edelweiß in Fülle zu sehen. Für uns Urlauber damals das erste Mal im Leben. Dazu kommt dann noch die tolle Aussicht aufs Tal und weit darüber bis hin zu den Hohen Tauern. Für uns war das damals ein großes Erlebnis, und wir sind glücklich, dass wir das erleben konnten.

Obwohl noch unerfahrene Passfahrer, nahmen wir auch den Nassfeldpass unter die Räder - damals gestampfter Boden und Schotter, steil und kurvenreich und besonders auf italienischer Seite mit den Tunneldurchfahrten für uns ungewohnt. Die Bergstraße endet im italienischen Pontebba. Die Nassfeldstraße ist nun seit Jahrzehnten gut ausgebaut und schön zu fahren.


Die Nassfeld-Passstraße in den 1960ern auf italienischer Seite. 

Auf der Passhöhe, rund 1530 Meter, lag das weite Almgelände mit Pferden und Kühen. Wir hörten vom "Kärntner Blüamle", der blauen Wulfenia (carinth.), die in dieser Art wohl nur hier in einem Graben unterhalb des Gartnerkofels unweit der Watschiger Alm blüht. Unterarten soll es zum Beispiel in Albanien und im mittleren Osten geben. Ab und zu fuhren wir auch zum warmen Pressegger See, ein Stückchen hinter der Bezirksstadt Hermagor, zum Strandleben und Schwimmen. Mal waren wir auf der Südseite von Passriach aus und meist auf der Nordseite bei Presseggen. 



So wie hier vor ein paar Jahren war der Pressegger See mit seinen großen Liegewiesen schon in den 1960ern ein Anziehungspunkt für uns und viele andere. 

Von den Karnischen Alpen lagen uns in Rattendorf der Gartnerkofel - oberhalb des seit Jahrzehnten bekannten Skigebiets Nassfeld - sowie der Zweikofel, ein Stück vor dem Trogkofel, im Blick. Oben, wo auch der Karnische Höhenweg verläuft, ist die Grenze zu Italien. Natürlich nutzten wir das und fuhren über den Plöckenpass nach Tolmezzo oder über Arnoldstein und Thörl-Maglern nach Tarvisio über die Grenze. Gern brachten wir frische Pfirsiche und anderes mit. Auf italienischer Seite gab es überall an der Straße Märkte mit Obst, Gemüse, Bekleidung und anderem sowie Fachgeschäfte, die anders sortiert waren, als unsere. Das hat sich alles verändert! Den Markt in Tarvis, in anderer Form als früher, gibt es noch.


Am Markt in Tarvisio vor einigen Jahren mit Freunden unterwegs.  

Von Preisen und Geldumtausch
Es war uns früher eine Freude, schon hier einen Teil des „Urlaubsgeldes“ in österreichische Schillinge (öS) umzutauschen. Das vermittelte gleich ein Ferien- oder Urlaubsgefühl. Wir schauten, wie wir finanziell hinkamen und tauschten dann gegebenenfalls bei der Raika (Raiffeisenbank) in Jenig nochmals. Die Konditionen wechselten in den Jahren: mal war der Umtausch 1 zu 6, mal 1 zu 7. Notfalls konnte auch mit D-Mark bezahlt werden. Wenn wir einen Italienabstecher machten, tauschten wir nochmals in Lire. Da hatten wir viel „in der Hand“. Aber der Wert war eben umtauschgemäß. Unabhängig davon waren die Preise früher weitaus niedriger. Ein Zimmer mit Frühstück gab es damals in der Pension oder im Bauernhof noch für um die 28 öS – beim Sechser-Umtausch also etwas weniger als fünf Mark ( 2,50 Euro), ein Wiener Schnitzel schlug ebenfalls mit um die 28 öS zu Buche. Klar, die Löhne waren damals weit niedriger als heute. In Gastbetrieben aller Art, vom Pensionszimmer über Gasthöfe/ Restaurants bis zum Hotel, wurde außerdem fleißig renoviert, umgestaltet und modernisiert, und die allgemeine Preisentwicklung nahm ihren Lauf.

Für uns ist es schade, dass es die Einzelwährungen nicht mehr gibt. Wir haben diese nie als Nachteil gesehen, sondern als ein Stückchen des Urlaubserlebnisses. Viele Jahre müssen wir nun mit Euro bezahlen. Wie schön, dass wir die andere Zeit ebenfalls erlebt haben!


Die Sonne ist vor Kurzem im Gailtal aufgegangen. Ein neuer Ferientag beginnt!

Wenn ich jetzt gleich das Büro verlasse, sehe ich ihn wieder, diesen grauen Stein, der so viele Tausende Jahre in sich birgt und in mir zumindest einige Jahrzehnte zurückruft. Schaue ich auf die schwarz gemalte Schrift, weckt er gleich mein Gedächtnis: Erinnerungen an eine wunderschöne Zeit und Urlaubstage damals! (jw)

Autor Jürgen Weller schreibt und veröffentlicht seit über 40 Jahren Berichte und Erzählungen zu früheren Zeiten - Erinnerungen an "damals". Dieses Mal ist es zum Urlaub im Kärntner Gailtal. Er und seine Frau sind dem Tal seit rund 57 Jahren verbunden, in denen es wohl an die 100 Besuche gab.

Geschichten von früher und heute sowie Gedichte sind auf diesem Blog aufrufbar, ansonsten und einschließlich Magazinen auch über die Webseite: www.buch-juwel.de. Reiseberichte und online Reise-Report-Magazine gibt es ohne Anmeldung unter "Tourismus" auf www.presseweller.de  

Samstag, 2. Februar 2019

Wennerzitt ess doa/ Winterzeit



Schnier un Iss eh fern un noah,
de kahle Wennerzitt ess doa.
De Noas ess roart, de Hänn sinn doot,
de Föße kalt, e Stiiwweln schwer,
so läufst du op dr Stroaß ömher.
Geahrst du net langsam, Schreet for Schrett,
Leijst du ald e dr Stroaßemett.

Dat kömmt dr langsam e dn Sinn,
doch baal ald schlerreerst du doahin.
A dr Naas gefroarne Trobbe,
de Hänn en de Mandeldäsche stoppe.
De Weld rengsömm nur Wiss e Wiss
un alles flüsternd, wahne leis.

Joa, ett friert un schneijt - alles ess em Wennderkleid.
Bis op de Knoche issekalt,
Siss’de doa dn noahe Wald.
Häddi Richtung mossde go,
Baal det Dorf, det Huss sind noah.

Doa, doa hin e minn Zuhuss,
stappe wierer ohn Verdruss.
Doa nur well ech hin,
weil ech doa geborje sinn.
Häst am warme Orrwe daa gesesse,
Ess all dat ann’re schwinn vergesse.

Original „Schnee und Eis - ist Winterzeit“1930er-Jahre: Ewald Weller†, bearbeitet (1990er), in Siegerländer Platt übertragen (2019) Georg Hainer

Winterzeit ist da

Schnee und Eis in fern und nah,
die kalte Winterzeit ist da.
Die Nase rot, die Hände tot,
die Füße kalt, in Stiefeln schwer,
so läufst du auf der Straß umher.
Gehst du nicht langsam, Schritt für Schritt,
liegst du schon in der Straßenmitt'
.
Langsam kommt das in den Sinn,
doch schon schlitterst du dahin.
An der Nas gefrorne Tropfen,
Hände in die Manteltaschen stopfen,
die Welt ringsum nur Weiß in Weiß
und alles flüsternd, ganz, ganz leis.

Ja, es friert und schneit – ist Winterzeit.
Bis auf die Knochen eisekalt,
erspähst du dann den nahen Wald.
Hiese Richtung musst du gehen,
kannst bald das Dorf, das Haus schon sehen.

Dort, dort hin in mein Zuhause,
stapfe weiter ohne Pause,
Dorten, da nur will ich hin,
weil ich dort geborgen bin.
Hast du am warmen Ofen dann gesessen,
ist alles andre bald vergessen.

Original „Schnee und Eis - ist Winterzeit“ 1930er-Jahre: Ewald Weller†, bearbeitet 1990er Georg Hainer

Et ess wahne glatt bi Iss un Schnear


Emm Wenner gerret Iss un Schnear,
doa döet mr sech bim Laufe schwer,
mr basst good op derwäije,
ömm net op dr Stroaß zo läije.

Wenn‘et Glattiss fröaer goaw, o weh,
hadden manche ´ne Idee.
Üwwer de Schoh Wollströmp wurn gezoje,
so sinn mr wernich hingefloae.

Wenn heut mr Glöcke hätt,
sinn Schnear un Iss ald weg.
Doch dat ess e heutger Zitt och nur,
wenn vorher good gerummt ess wurn.
Georg Hainer

Übersetzung

Es ist sehr glatt bei Eis und Schnee

Im Winter gibt es Eis und Schnee,
da tut man sich beim Laufen schwer,
man passt gut auf deswegen,
um nicht auf der Straße zu liegen.

Wenn es Glatteis frühr gab, o weh,
hatten manche (ei)ne Idee.
Über die Schuhe Wollstrümpfe wurden gezogen,
so sind wir wenig hingeflogen.

Wenn heute man Glück hat,
sind Schnee und Eis bald weg.
Doch das ist in heut‘ger Zeit auch nur,
wenn vorher gut geräumt wurde.


Donnerstag, 10. Januar 2019

Papa schaut von oben auf uns

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Hallo Papa, bist schon so lange nicht mehr auf Erden, aber im Herzen bei uns. 



>Papa schaut von oben auf uns<

Oh Papa, so viel Zeit nun schon vergangen ist,
seit Du in die Ewigkeit gegangen bist,
gewiss, in dieser himmlisch Ruh
schaust Du uns von oben zu.

Blickst auf uns mit Liebe nur zurück,
auf Jahre, Alltag voller Glück.
Warum so früh, so fragt man sich,
warum so lange ohne Dich?

Hast geführt durch Kindheit, Jugend,
uns gelehrt zu guter Tugend,
gemahnt zu unsren Halbstark-Jahren,
als aufsässig wir waren.

Oh Papa, heut‘ würd ich noch gerne fragen,
was Du mir hättest jetzt zu sagen,
die Geschichten hört ich wiedermal so gern,
sie sind noch da, trotzdem ein bisschen fern.

Was soll ich tun in diesem Fall, was rätst Du mir?
So schade, Du bist nicht mehr hier.
Oft, Papa, bete, frage ich zu Dir und Mama oben,
wo Ihr von heilig Kräften seid umwoben.
9. Januar 2019 jw                                     Georg Hainer


Trauer, Hoffnung und Gedenken sind nicht auf die Totengedenktage im November begrenzt. Es sind auch die Todes- und Geburtstage der Menschen, die aus unserem Leben geschieden sind und so viele andere Anlässe, Stunden und Tage, an denen man an seine Angehörigen und Freunde denkt. Autor und Schriftsteller Georg Hainer schreibt und veröffentlicht seit 40 Jahren Gedichte und Geschichten - auch humorvolle und zeitbezogene.

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Freitag, 13. Juli 2018

Die Sommer der Kindheit in Siegen


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Teil 1

Sonnen, im Wännchen planschen und spielen

Was war das für eine Zeit für uns Kinder, die 1950er- und 60er-Jahre! Oh nein, nacherleben können wir sie nicht mehr, sondern nur aus der Erinnerung hervorkramen, was ein inneres Strahlen auslöst, das Glück in den Kopf und manches Mal ein Lächeln aufs Gesicht zaubert. Schon unsere Kinder lebten in einer anderen Welt, die zwar behütet, aber doch so anders war, als in dieser Nachkriegszeit, in der für die Normalbevölkerung die Einkommen nicht üppig waren, aber leben ließen. Die Eltern fielen in diesen Aufschwung hinein, den man „Wirtschaftswunder“ nennt. Das verbinden viele noch mit dem  damaligen Wirtschaftsminister Ludwig Erhard und dem Begriff  "Soziale Marktwirtschaft". Waren die Eltern und Großeltern froh, den schlimmen Krieg überstanden zu haben, freuten wir kurz vor 1945 und danach geborenen Kinder uns, unsere Kindheit ausleben zu können. Ähnlich wie hier wird es wohl überall im Siegerland und in anderen Regionen gewesen sein, in dieser etwas anderen Aufbruchzeit.


Teil-Silhouette von Siegens Oberstadt. Rechts die Nikolaikirchen-Turm mit dem Wahrzeichen, dem Krönchen, und links der Turm der Marienkirche in der Löhrstraße. (Alle Fotos/ Repros (c) presseweller)


Die meisten aus meinem Umfeld hatten wohl eine frohe und schöne Kindheit, wie es sich damals darstellte und im Umgang zu erfahren war und wie es die Erinnerung nochmals ein Stück blumiger macht - wenigstens ab der Zeit, ab dem man dem Kinderwagenalter entwachsen ist.  



Die Kinderwagenzeit ging vorbei. Wahrscheinlich werden wir viele schöne Ausfahrten gemacht haben. Früher sahen die Wagen noch anders aus als die heutigen modernen.


Ehedem bekamen wir nach und nach durchaus mit, dass manche Väter noch mit leichten und auch schwereren Kriegsverletzungen zu tun hatten und Mütter ab und an unter sich oder bei Familientreffs erzählten, wie beklemmend es gewesen sei, bei Alarm wegen Bombenangriffen in den Bunker gehen zu müssen. Aber damit waren wir Kinder in unserem Spieldrang nicht belastet. Es war einfach schön, dass wir zu vielen etwa gleichaltrigen Kindern in der Straße, in Nachbarstraßen und im Wohnhaus waren. Da ließ sich so einiges unternehmen, das, was Kinder in aller Welt gerne tun: unbeschwert spielen und erkunden.


Namensvielfalt

Wir trafen uns auf der Straße, Mädchen und Jungen. Sie trugen die damals üblichen Namen, die zum Teil seit wenigen Jahren wieder aktuell sind: Alexander, Bert(h)old, Christian, Dieter, Eberhard, Joachim, Jürgen, Heinz, Klaus, Martin, Michael, Rolf, Peter, Ulrich, Ulli, Uwe, Walter, Wilhelm/ Willi, Wolfgang und andere. Bei den Mädchen waren es Agnes, Angela, Angelika, Barbara/ Bärbel, Christine/ Christa, Edeltraut, Elvira, Evelyn, Gisela, Karin, Lieselotte/ Lotte, Maria, Susanne, Ute/ Uta, Ulrike, Waltraud und so weiter.Die Vornamen der Eltern, Großeltern, Onkel und Tanten waren wieder anders, ob Alois oder Josefine, ob Luise oder Heinrich, ob Alma oder Ambrosius oder Emma oder Erich und viele, viele andere. So haben alle Jahre wieder verschiedene alte und neuere Namen Saison, meist so, wie es der Zeitgeist gerade vorgibt. 





Ein Schnitt durch viele Jahre.  Die  Glückaufstraße am Rosterberg war die ersten Nachkriegsjahre nicht geteert, und es fuhren so gut wie keine Autos - ideal zum Spielen oder zur Ausfahrt mit dem ersten Dreirad, das sogar Kettenantrieb hatte! Die Straße  mit den Lindenbäumen, heute Philippshoffnung, ist schon länger Teil der Tempo-30-Zone.


Im Wännchen auf der Wiese

Als wir noch klein waren und uns weder Kindergarten noch Schule zeitlich ausbremsten, krabbelten wir auf der Wiese neben dem Haus oder konnten auf einer Decke liegen. Wiese und Garten als Kleinkinderhort. Zum Teil gab es auch noch übrig gebliebene Zeltplanen mit militärischem Tarnmuster und mit in Metall eingefassten Ösen an den Ecken. So konnten uns die Eltern auch ein kleines Zelt als Sonnenschutz bauen. In der Erinnerung gab es gefühlt oft Sonne, und doch waren die Sommer wie heute, mal heiß bis um die 30 Grad, mal kühl und verregnet und auch mit Gewittern durchsetzt. Alles hatte seine Reize.
Schien nun die Sonne fleißig vom Himmel, stellten die Eltern vormittags ein Zinkwännchen auf die Wiese, füllten es mit Wasser, das dann von der Sonne angenehm gewärmt wurde. Dann aber wurde es Zeit für uns Kleinen, uns hineinzusetzen, zu planschen und zum Nachbarwännchen zu spritzen, kurz: Wir waren quietschfreudig bei diesem Wasserspaß. Das mutet nicht nur im verklärten Rückblick wie ein kleines Idyll an. Die Wiesen neben den Häusern, teils mit Wäschestangen ausgerüstet, dienten daher auch zum Trocknen der Wäsche und zum Bleichen. Betttücher und Co., früher meist nur in Weiß, lagen einige Zeit unterm Sonnenlicht auf der Wiese. So mancher wird sich noch an den angenehmen Geruch nach Sonnenluft und Natur dieser frischen Bettwäsche erinnern. Schon etwas größer, schossen wir auf der Wiese auch einen Gummiball hin und her und schauten bei den Stachel- und Johannisbeeren. Wir bekamen die elterlichen Anweisungen, keine grünen, unreifen Beeren zu essen, weil das wohl dem Bauch nicht gut bekommen würde, und uns vom Ginster fernzuhalten. Da wären Ginsterböcke drin, die sich in die Haut bohrten und Krankheiten übertragen könnten. Heute sind diese Tierchen als Holzböcke oder insgesamt als Zecken bekannt und gefürchtet.


 


Die Wiese, früher kein Rasen, sondern richtige Wiese, war mit Wäschestangen und Leinen bestückt. Die Mütter hingen dort die Wäsche auf. Die Wiese, an die sich der Garten anschloss, wurde auch zum Bleichen genutzt.   

Auszählreime und viel Bewegung

Unsere Wohn- und für uns zugleich Spielstraße war die ersten Jahre nicht geteert. Es war ein gestampfter Erdbelag, aus dem hier und da Andersfarbiges an die Oberfläche kam. Schlackenstücke, teils mit „goldenen“ Glanzpunkten vom Erz. Erst später kam Teerbelag. Aber für uns war sie so oder so stets „Spielstraße“.
Kriegel und Verstecken, bei auch uns „Versteckel“ genannt, waren Hauptpunkte, hin und wieder Hock. Zu den „Geländespielen“ gehörte Räuber und Gendarm. Da schlichen wir uns auch durch fremde Gärten, wo es in der Nachbarschaft die weißwolligen Angora-Kaninchen zu sehen gab. 



Apfelbäume, hier zur besseren Fruchtansicht montiert,  und Birnbäume gab es in vielen Gärten. Das frische Obst war knackig, fruchtig, lecker. 


 „Vater wie weit darf ich reisen“ und „Ochs am Berge eins, zwei, drei“ gehörten ebenso dazu wie das Kreiselspiel mit Ab- oder Auszählreimen wie „Ich und du, Müllers Kuh, Müllers Esel, der bist du“. Letzterer musste in diesem Fall aus dem Kreis austreten. So ging es reihum mit immer wieder anderen Abzählreimen, zum Beispiel „Eene, meene, muh, und aus bist du“, bis ein Junge oder Mädchen übrig blieb. Dieses Auszählen stand meist vor einem Spiel, sodass das letzte nicht ausgezählte Kind beginnen konnte. Für uns bedeutete das alles „Bewegung pur“. Wir waren nahezu tagtäglich draußen, „an der frischen Luft“, wie man damals sagte, wobei diese Kombination aus Bewegung und frischer Luft durchaus ein Balsam für den Körper war und ist. Was sind wir gerannt und gesprungen und wie haben wir das Miteinander gepflegt – heute sagt man „soziale Kontakte“. Und gestritten wurde hin und wieder ebenfalls, was meist aber alsbald im „Sich-Wiedergutsein“ beigelegt wurde. Na klar war auch das ein unbewusster Lerneffekt für die vielen Lebenssituationen, die noch kommen sollten. Im Laufe der Jahrzehnte bekamen wir mit, dass das Leben Ecken und Kanten hat und keineswegs ein langer ruhiger Fluss ist.






Märchen, Spiele und Zahlen
Ein bisschen Regen hielt uns vom Draußenspiel nicht ab. Wenn es aber einen „Schutt“, einen heftigen Regen, gab, ging‘s rein. Mit den Geschwistern und anderen Kindern im Haus fehlte es nicht an Beschäftigung. Die Eltern führten uns auch nach und nach je nach Alter an Spiele heran, ob Mikado oder Schwarzer Peter. Später, als wir schon besser zählen konnten, „Elfer raus“ und Mau-Mau“. Dann kamen Brettspiele hinzu wie der Klassiker „Mensch ärgere dich nicht“ und „Halma“, schließlich „Mühle“ und „Dame“. Für „Schach“ dauerte es noch was. Dafür galt es aber, mit Einweisung des Vaters oder Opas weitere Kartenspiele bis zum Offiziers-Skat für zwei und schließlich Skat für drei Spieler zu lernen. Immer gewinnen konnte niemand, und so ging, was teils ärgerlich und bewegend war, so manches Spiel verloren. Dass das so war, mussten wir uns ebenfalls verinnerlichen, oft verbunden mit der Aussage „Es ist ja nur ein Spiel“. So freuen sich die meisten, wenn sie ein Spiel gewonnen haben, viele andere wussten bald, dass man ein Spiel eben auch verlieren kann. Und stets dann, wenn man spielt, um zu spielen und nicht Tabellenplätze und Entlohnungen wichtig sind, ist es einfach so. Neuer Tag, neues Spiel! Fertig.



Hä, wat iss? Klaro, man war auch als Kind nicht immer gut drauf!


Nun lernten die Eltern den Kindern nicht nur solche Spiele, sondern begannen altersgerecht damit, dem Nachwuchs Zahlen beizubringen und die Uhr zu erläutern. Das klappte gut, schließlich war es eine Herausforderung und entsprach dem Wunsch, selbst etwas entziffern zu können. Uns erzählte Vater in lebendiger Weise oft abends vor dem Einschlafen viele märchenhafte Geschichten, von „Hänsel und Gretel“ bis zu „Peterchens Mondfahrt“. Vorgelesen wurde ebenfalls, wobei dann auch schon Buchstaben und kleine Wörter in den kindlichen Kopf kamen – abgerundet durch gemeinsame Spaziergänge, bei denen wir zum Beispiel so nebenbei lernten, eine Eiche von einer Birke zu unterscheiden oder am Ameisenhügel mehr über die fleißigen Gesellen zu erfahren. Toll, der Vater baute aus kleinen Baumästen eine Flöte und zeigte uns - und später den Enkeln - wie es ging. Das war alles nur wunderschön und bereitete uns gleichzeitig auf die Schule vor. Auch wenn uns die Wissenschaft es uns „logisch“ erklären will, ist es doch ein faszinierendes Wunder, wie die „kleinen Köpfe“ die Dinge aufnehmen und verarbeiten und bald selbst Zusammenhänge herstellen und Sätze sprechen können, die uns oftmals staunen lassen. Von dieser Urkraft und Entwicklung des Lebens sind nicht nur Menschen bedacht, sie zieht sich als wundersam durch die gesamte Natur.





Spaziergänge mit den Eltern, bei denen wir viel über die Natur erfuhren,  gab es sonntags fast immer, oft auch mit befreundeten Familien. In den 50ern gehörte es dazu, "richtig", also sonntäglich, angezogen zu sein! Kinderbekleidung ging früher oft von älteren Geschwistern oder auch aus dem weiteren Familienkreis auf die jüngeren Kinder über. In der Woche waren wir ebenfalls ab und zu mit Mutter und anderen unterwegs. Unsere Wohnlage, wie vielfach im Siegerland,  bescherte uns Wald ringsum.


Der Eismann kommt
Italiano“ - so Mitte der 1950er klingelte es an manchen Tagen laut in den Straßen. Das war der Eismann. Er kam auf einem Fahrrad, an dem ein etwas größerer Behälter montiert war. Heute heißt so etwas „Lasten-Bike“. Die Klingel war laut, und er rief „Gelati, Gelati, Eis!“ Perfekte Nahversorgung, die nicht nur den Kindern, sondern auch Erwachsenen gefiel. Ein Hörnchen mit einer Kugel kostete einen Groschen, also zehn Pfennige – als es die gute D-Mark noch gab. 


Leckeres Eis gab es bis in die Straße, wenn der Eismann kam. Die Hörnchen waren verschieden. Bei nur einer Kugel fiel es etwas einfacher und weniger knusprig aus. 


Mehrere Kugeln setzte er mit der Löffelzange in ein größeres knuspriges Hörnchen. Lecker, und eine Sommerabwechslung, und es schmeckte vorzüglich, ob Vanille, Schoko, Erdbeere oder Zitrone. Italiener sind dafür bekannt, dass sie gutes Speiseeis machen können, ob in Sizilien oder in dieser bekannten Eisregion in Südtirol. In Siegen gab es irgendwann in Bahnhofsnähe „Dolomiti“, wo wir uns hin und wieder einmal ein Hörnchen zum Mitnehmen gönnten – heute wohl „Eis to go“. Gut, dass wir auch noch Deutsch sprechen können. Ein alter Bekannter, ein Italien-Freund, hatte uns das Dolomiti empfohlen. Nach und nach gab es mehr dieser "Eis-Salons". Wir sagten damals „Eisdiele“ dazu.



Im Kindergarten und fern der Heimat
Obwohl es in unserem großen Wohnviertel am Siegener Rosterberg bereits Anfang der 1950er-Jahre einen Kindergarten gab, waren doch viele der noch nicht schulpflichtigen Kinder zu Hause. Manche waren wie ich nur wenige Wochen dort. Hintergrund war, dass die meisten Mütter zu Hause waren, wenn sie auch in den vorherigen Jahren einen Beruf erlernt oder – gut angelernt – beruflich tätig gewesen waren. Wie später die Schule war auch der Kindergarten leicht zu Fuß zu erreichen. Mit einer kleinen Umhängetasche zogen wir los und lernten dabei auch wieder andere Kinder kennen.
In den Häusern schräg gegenüber wohnten belgische Familien, weil Siegen damals noch von fremden Streitkräften besetzt war. Belgische Soldaten kamen manches Mal an die Kindergartenmauer, grüßten freundlich, schauten und warfen hin und wieder Kaugummipäckchen zu uns. Gut! Es waren schließlich Familien wie wir, und, so nehme ich an, wären auch sie lieber wieder an ihrem Heimatort gewesen. Schließlich ist Heimat etwas Besonderes und Schönes, und sie weckt Erinnerungen, am meisten wohl bei denen, die nicht mehr in ihrer Heimat leben, sie aber meist doch ein Leben lang im Kopf behalten, selbst, wenn sie eine „neue Heimat“ gefunden haben. Nicht umsonst wird „Heimat“ in so vielen Liedern besungen. Sie kann eine bestimmte Örtlichkeit, ein Ort, eine Region oder ein Land sein. So fallen die Definitionen, Erklärungen, nach eigenem Empfinden teils auch unterschiedlich aus.





Der Kindergarten in der unteren Gläserstraße - ein aktuelles Foto - wurde mittlerweile beträchtlich erweitert. Bei uns spielte sich das im hinteren gemauerten Bereich mit der anderen Fassade und dem Freigelände dahinter ab. Zur Begrenzung unten kamen hin und wieder nette Belgier, die in Nachbarhäusern wohnten und uns Kaugummi zuwarfen. 


In Siegen hat es noch viele Jahre gedauert, bis die Belgier abzogen, die ihre Kasernen auf dem Wellersberg und am Heidenberg hatten. Auf dem Wellersberg hieß das „Quartier Pepinster“. Ich staune jedes Mal neu, wenn die Politik heute und teils auch Sozialverbände ein eingesessenes Wohngebiet, ein Wohnviertel, als „Quartier“ bezeichnen. Es gibt genug normale Bezeichnungen dafür. Das nur am Rande. Den schön gelegenen Kindergarten oberhalb der Eintracht, in der unten die Siegerlandhalle steht, gibt es noch heute. Er ist durch Anbauten nun viel größer als damals. Diese Eintracht mit ihren alten Bäumen und Wegen war früher für uns hin und wieder auch ein Spielgebiet. Sie ist, auch aus alten Zeiten mit dem Löschteich, ein Stück Heimat. Wenn sie auch jeder anders erlebt oder heute aus welchen Gründen auch immer woanders lebt, so bleibt das, was man für sich als Heimat entdeckt hat und im Innern fühlt, nach wie vor in der Erinnerung, und zwar zumeist als "schöne Zeit".  (Jürgen Weller)

Ergänzt 19. 7. 2018

Im nächsten Teil geht es um Bekleidung, Fußball intensiv und Co., Schulbesuch und Radeln. 



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