Der Kindheit-Gedankenwelt und viele Veränderungen
Zusammengestellt von Georg Hainer
Der Rosterberg in Siegen mit seinen Straßen und Wäldern war unser Wohngebiet. (Fotos/ Repros (c) presseweller)
Als wäre es
gestern, so denkt man an die Zeit, als wir noch Kinder und
unbeschwert waren. „Weißt du noch, was wir damals beim Fußball
für kleine Tore in der Straße hatten?“ fragt dann ein
Spielkamerad von früher. „Früher“, das liegt in dem Fall gut 60
Jahre zurück. Und gar so viele, mit denen ich darüber sprechen
kann, gibt es gar nicht mehr. Jedenfalls war Langeweile in unserer
Kinderzeit kaum einmal angesagt. Nie habe ich damals erwartet, dass
ich diese kleine Gasse inmitten des Hügels, umgeben von Gärten und
Wäldern, jemals verlassen zu müssen. Es sei denn auf die Weise, wie
es dem alten „Ohm“ genannten Nachbarn einstens ergangen war, der
in einem großen hölzernen Behältnis aus dem Haus getragen wurde
und fortan in „unserer Straße“ nicht mehr gesehen ward. Das
Behältnis sei ein Sarg, erklärten uns die Eltern. Und weil der
„Ohm“ schon so alt gewesen sei, noch älter als unsere Omas und
der Opa, sei er verstorben, tot. Das wiederum bedeute, dass
er hoch in den Himmel umziehen müsse, von wo er aber auf die Gasse
am Hügel und all das Drumherum schauen könne. Irgendwie sei er aber
noch bei uns, weil wir uns an manches erinnerten. Ja, wenn er früher
aufs Motorrad vorm Haus stieg, er später schlurfend durch den Hof
ging, der erste VW Käfer vor seiner Tür stand, wenn er morgens „Gon Morje“ – guten Morgen – sagte, und auch
daran, dass er dann und wann einmal heftig schimpfte, wenn wir Kinder
zu viert oder fünft vor dem Haus lauthals mit dem Ball tobten, der
manches Mal in seinen Garten sprang.
Wenn wir Jungen und
die Mädchen Kriegel und Verstecken spielten, bei „Vater wie weit
ich darf ich reisen?“ eine Fußlänge, einen kleinen Schritt oder
mehrere „bis nach Kreuztal“ vorwärts durften oder der
Spielleiter bei „Ochs am Berge, eins, zwei, drei“ mal langsam und
mal plötzlich ganz schnell sprach und dann trotzdem ein Kind so
aufmerksam war, ihn ablösen zu können, dann war das für Joachim*,
Klaus, Jörg, Berthold, Reiner, Rolf, Heinz, Josef und Eberhard, für
Ilse, Annemarie, Bärbel und Waltraud (*alle Namen vom Autor frei gewählt) und mich eine freudige,
hoffnungsfrohe Welt und eine Zeit, die am besten nie geendet hätte.
Schließlich gab es noch mehr der Spiele im Freien wie Räuber und
Gendarm, Klickern, Seilspringen und - mehr für die Mädels -
Gummitwist. Als wir etwas älter und größer waren, gesellten sich
Köppen, Fußball und Federball sowie ab und an Hockey mit alten
Krückstöcken oder Latten dazu.
Für uns Jungs stand bis weit in die Jugend Fußball auf dem Programm. Mädchen schoben auch gern ihren Puppenwagen oder den Kinderwagen mit "neuem" Schwesterchen oder Brüderchen.
Während einige Mädchen stolz mit
ihren schönen Puppenwagen durch die Straße flanierten, gab es hier
und da einen einfachen Holzroller, später auch mit Ballonreifen, und
Dreiräder. Da es nun einmal nicht immer schönes Wetter gibt,
lernten wir nach und nach Brettspiele, von Mensch-ärgere-dich-nicht
über Halma bis Mühle und Dame, und Kartenspiele wie Schwarzer Peter
über Mau-Mau bis Skat, wir konnten Papier- oder später
Kunststofffische angeln, die in einem Pappviereck „schwammen“,
und Dominosteine anlegen sowie unser Geschick bei Mikado beweisen. In
der Familie wurde mit Buntpapier gebastelt, so dass je nach
Jahreszeit Girlanden oder Sterne fabriziert wurden, wie es Jahrzehnte
später auch noch unsere eigenen Kinder machten und ihre Freude daran
hatten. Wir versuchten, aus Lehm Figuren wie Kasperköpfe und
Männchen herzustellen, was nicht schlecht gelang, und die Mädchen
begannen, mit der Strickliesel kleine Sachen anzufertigen.
So soll's immer sein
- Veränderungen aber unaufhaltsam
Unter uns war das
Band der Freundschaft mal weiter und mal eng verknüpft, aber alle,
Jungen und Mädchen, waren Spielkameraden, bei denen dennoch wie
überall, wo Menschen zusammen sind, hier und da einmal ein Streit
aufflammen konnte, der meist nach kurzer Zeit wieder gelöscht wurde,
obwohl wir damals von den seit wenigen Jahren häufig gebrauchten
Begriffen wie Achtsamkeit und Empathie noch nie etwas gehört hatten.
Bei uns hieß das beispielsweise „andere grüßen“, „freundlich
sein“, „nicht zanken“, „sich wieder vertragen“ sowie bei Spiel und
Sport auf andere und sich aufpassen. Nun, meist waren wir gut,
manchmal auch schlecht drauf, also nicht so gut gelaunt, und Trotz
gehörte ebenfalls zu den Marotten, die Kinder durchleben. Insgesamt
lebten wir dennoch zufrieden in unserer Gassenwelt, und da wir
bereits bei Gottesdienstbesuchen mit den Eltern oder im
Kindergottesdienst von Ewigkeit gehört hatten, waren wir froher
Dinge, dass unser Leben so wie bisher, mit uns allen zusammen,
weitergeht, ewig so bleibt. Das hatte leichte Einschränkungen, weil wir natürlich sehr gerne auch größer und älter werden wollten, wie unsere Brüder und Schwestern - das schien so vorgegeben zu sein, wenn wir die Älteren betrachteten.
Unsere "kleine Welt", die Glückaufstraße in Siegen, in den 1950er-Jahren und in den 2000er-Jahren. Lindenbäume sind noch immer da.
Leben
nimmt seinen Lauf
Das
Spiel des Lebens läuft jedoch anders, als wir gedacht hatten und
wofür niemand etwas konnte. Man nennt es auch „Lauf der Dinge“.
Vielen bekannt ist das philosophische Wort „panta rei“, alles
fließt, wie der Bach, der Fluss, zu dem sich immer wieder andere
Wasser gesellen, der von der Quelle der Mündung zustrebt, um dann
meist in einem Meer zu enden, wo noch andere gelandet sind, er als
einzelner nicht mehr erkennbar ist. Doch seine Aufgaben hat er gehabt
und hat sie weiterhin, weil er eben auch mit seinem Wasser die Ozeane
füllt. Er war und ist es, der zur Wasserversogung beitrug, einst
Mühlen und später Generatoren zur Stromerzeugung antrieb, der
Menschen Freizeitspaß bringt, ob zum Baden oder Boot fahren und in
dem sich Fische tummeln. Wasser ist ein Lebenselixier. Unser
„Lebensfluss“ ändert ebenfalls bald die Richtung. Die Schulzeit
ist nah. Für uns Kinder beginnt sie unterschiedlich, weil wir nicht
alle das selbe Geburtsjahr hatten. Wenn nun auch die einen vormittags
nicht mehr auf der Straße waren, so hielt das den nachmitttäglichen
Spieldrang nicht auf, der bei den einen eben erst nach den
Hausaufgaben begann.
Lebensänderung. 1. Schultag. Das macht noch Spaß mit der Tüte, und lernen wollten wir auch etwas. Der Stofflappen link zeigt, dass man noch auf Schiefertafeln schrieb. Abwischen.
Noch
mit Schiefertafeln
Zu
meiner Kindheit gibt es in den meisten Häusern Familien mit mehreren
Kindern. Es muss stets Zuversicht gegeben haben: Die einen wurden
während des Krieges geboren, als Väter irgendwo im Einsatz waren und vielleicht zur Geburtstzeit einen Urlaubsschein erhielten. Andere erblickten danach das Licht der Welt, als es noch die
„armen Zeiten“ gab, in denen vieles durch Bombardierungen
zerstört war und es darum ging, jeden Tag genug zum Essen zu haben und wo dennoch die Hoffnung auf Wiederaufbau und bessere Zeiten keimte.
Manche
Geschwister sind daher dem Alter nach mehrere Jahre auseinander. Das
hatte für uns "Nachgeborenen" seine Vorteile. Die Älteren helfen bei den Schularbeiten und
geben Tipps. Praktisch: Da zuerst noch auf der Tafel mit einem dünnen
Kreidestift, dem Griffel, geschrieben wurde, konnte Falsches
abgewischt und wieder neu versucht werden, was zweifellos später im
Heft schwieriger wurde.
Noch mit Tafel und Griffel in den 1950ern. Mit der Schule beginnt ein anderer Lebensrhythmus: weniger Spielzeit.
Mit Bleistift konnte der Radierer noch
helfen, was dennoch meist deutlich erkennbar war, später mit
Füllfederhalter sah das alles schon problematischer aus. Aber so war
und ist das nun einmal. Jetzt nach dem Jahre 2015 wird es vielleicht
bald wieder ganz anders sein, dann tippt man nur noch die Buchstaben
in die Tastatur ein und kann das, wenn falsch, sofort korrigieren.
Auf dem Monitor des PC oder Tablets bleiben keine „Schleifspuren“
zurück! Wir lernten Schritt für Schritt sorgsam Lesen, Schreiben
und Rechnen, wenn auch meist über 40 Schüler in einer Klasse waren.Da es rückblickend zu dieser Zeit zum Glück noch keine Experimente mit neuen Lern-, Schreib- und Rechenmethoden gab - wie später die so genannte Ganzheitsmethode, die unsägliche Mengenlehre usw. - konnten unsere ältere Geschwister uns bei den Hausaufgaben gut behilflich sein. Wir hatten auch noch Religion und Heimatkunde, damit wir erfuhren, was es in unserem Landstrich für Flüsse und Mittelgebirge gibt, unsere Heimat näher kennenlernten und später erkannten, wie gut das war, weil Heimat in Örtlichkeiten, Sprache, Kultur und in Erinnerung stets etwas Besonderes ist.
Durch
die Schule waren bereits erste Veränderungen spürbar. Diejenigen,
die die selbe Volksschule besuchten, sahen sich auch in der Klasse
oder zumindest am Pausenhof, ansonsten kam man erst nachmittags
zusammen. Warum? Die Schulen bei uns, Diesterweg und Hammerhütte,
waren konfessionell angelegt. Zu weiteren Veränderungen kam es nach
den Klassen 4 und 5: Manche blieben in der Volksschule, andere
wechselten zur Realschule oder zum Gymnasium. Eventuell traf man dann
den einen oder anderen dort wieder.
Spiele standen auch in der Jugendzeit noch auf dem Programm: Brettspiele wie Mensch-ärgere-dich-nicht, Mühle, später Schach und Kartenspiele, Skat inklusive.
Nach
der Schulzeit alles anders
Zwar
wohnten wir noch alle in unserem Viertel, aber die Schulzeit zeigte
einen ersten Lebenseinschnitt, durch den wir bereits ein gutes Stück
entfernt von unserem Wunsch waren, dass es immer so bleiben möge wie
in unserer früheren Kindheit. Mit dem Berufsleben kam das noch
dicker. Nun war schon bald klar: Wie es früher war so immer, wird es
nimmer. Das Leben geht dahin, und wir sind fest eingebunden in diesen
geregelten und immerwährenden Alltag, der nur Ausnahmen in Ferien
oder in Urlauben macht und weiterhin Begleiter sein wird – wie für
Generationen vor und absehbar nach uns, weil wir lernen, dass man
irgendwie „funktionieren“ muss, wie es neulich einmal die um die
dreißigjahrige Mutter der jungen Familie
ausdrückte: „Du musst fast jeden Tag 'Gas geben', damit alles
läuft.“ Wie schön, dass das zu unserer Zeit noch nicht so
ausgeprägt war, obwohl während der Kindheit die Väter oft noch
samstags arbeiteten und wir auch samstags zur Schule gingen und es
der Erinnerung nach dennoch weniger Hektik und Stress für alle
gegeben hat. Wie ruhiger das Leben war - zumindest in der Erinnerung.
Weniger
gemeinsam – Lehre und Studium
Abgesehen
von unseren älteren Geschwistern, machten zu meiner Zeit Bertold und
Heinz den Anfang. Sie waren die ersten, die nachmittags nicht mehr zu
Spiel und Spaß zur Verfügung standen. Arbeit dauert bis zum späten
Nachmittag. Das ging nach und nach nun reihum. Eventuell traf man
sich am frühen Abend noch, aber auch nicht lange, weil das
Berufsleben erst einmal ungewohnt war. Man war um die neun Stunden
von zu Hause weg und musste je nach Arbeit wieder früh raus. Wenn
man sich traf, erzählten die Lehrlinge, die schon lange
Auszubildende oder „Azubis“ heißen, was so auf dem Programm
stand. Je nach Lehre mal Feilen und Co., mal Ablage und Briefe
schreiben – nur einmal verkürzt gesagt zu den verschiedenen
Berufsfeldern. Gut war, dass alle „am Ort“ unterkamen. Firmen
unterschiedlichster Ausrichtung, von Handwerk bis Industrie, und
Verwaltung, gab es genug in Siegen und im Siegerland, sodass die meisten ihren
Arbeitsplatz zu Fuß oder mit dem Fahrrad erreichen konnten. In der
etwas späteren Jugendzeit, als man sich ans Arbeitsleben oder das
gegenüber früher intensivere Schulleben gewöhnt hatte, begann es
dann, dass zumindest einige wenige an Wochenenden gemeinsam etwas unternahmen.
Jungen und Mädchen unserer Straße waren seit der Pubertät,
die wir natürlich ebenfalls durchlaufen mussten, kaum noch zusammen. Vielleicht hat sich im Einzelfall mal etwas Schwärmerisches
von dieser oder jener Seite eingestellt, aber es wurde nie mehr.
Alle, die mir bekannt sind, hatten bald Partner aus anderen
Wohngebieten oder Orten, gemäß dem alten Spruch „Wo die
Liebe hinfällt“.
Die
Spielkameraden und Freunde von früher, die „Abitur in der Tasche“
haben, entschließen sich meist zum Studium. Sie ziehen nach Marburg,
Bonn oder weiter und kommen auch nicht jedes Wochenende nach Hause.
Wir sehen uns alle nur noch selten. Die Zeit rennt dahin. Nach
Abschluss ziehen viele auch nicht mehr in ihren Heimatort. Eventuell
verabredet man sich mal zu einem Treff, wenn sie vor Ort sind, oder
besucht sich mal.
Viele
neue Einschnitte
Jetzt
sind wir am Ende von Lehre, Schul- und Studienzeit. Gegenüber
unseren früheren Gemeinschaft hat sich bereits sehr viel verändert.
Obwohl wir inzwischen alle über 18 Jahre jung sind, gehen nur noch einige
wenige an Wochenenden gemeinsam aus, gemütlicher Treff in einer
Gaststätte, die es damals noch an jeder Ecke gab oder auch einmal in
die Disco und einige Male auch zum früher obligatorischen
Spaziergang mit Einkehr am 1. Mai.
Neue
Einschnitte kommen. Mit abgeschlossener Lehrausbildung in der Tasche
und vom Betrieb übernommen, entscheiden sich einige dennoch,
auswärts zu arbeiten. Das geht dann bis nach Norddeutschland, zum Beispiel Marine. Diejenigen, die ihr Studium abgeschlossen hatten, gingen
häufig in andere Orte. Außerdem steht für junge Männer Bundeswehr
auf dem Pflichtplan: Wehrdienstpflicht. Sie trat 1956 inkraft, die
politischen Bemühungen dazu begannen bereits Jahre zuvor. (Details
bei wikepedia und anderen Portalen). Das war zu einer Zeit, als viele
unsere Väter, teils mit Verwundungen vom Krieg gezeichnet, sagten:
„Nie wieder“. Wahrscheinlich gab es für die
„Verteidigungs-Bundeswehr“ damals weltpolitische Gründe, vor
allem wohl wegen der West-Ost-Trennung, was schon bald als „kalter
Krieg“ bezeichnet wurde.
Von
unserem früheren Wunsch „So sollte es immer sein“ war fast
nichts mehr übrig geblieben, es war nur noch „Schnee von gestern“.
Was wir uns in der Kindheit und unseren damaligen Vorstellungen noch
gewünscht hatten, ist auf den Spuren des Lebens verblasst, es hat
sich bereits zu diesem Zeitpunkt als Seifenblase erwiesen. Den Takt
gaben und geben ständige Veränderungen, notwendige Anpassungen und
Erfordernisse vor.
Nach und nach lernten wir, dass das Leben ein Buch mit vielen Seiten ist, mit mal lustigen und mal mit ernsten Geschichten, mal mit Kapiteln zu fröhlichen, mal zu traurigen Stunden.
Familiäre
Dinge kommen auch
Irgendwann
ist es soweit, dass mein Bruder heiratet. Damit
verbunden ist allerdings auch, dass er wegzieht. Die Entfernung bis
Geisweid ist so überschaubar, dass man sich öfter sehen kann. Aber
eben nicht mehr täglich. Er hat mir beim Lernen geholfen, war stets
da und hat auf mich aufgepasst, auch als ich schon älter war. Nach
und nach konnte ich es überwinden, weil ich kurze Zeit später meine
jetzige Frau kennenlernte und wir beide Paare stets viel gemeinsam unternommen
haben. Auch die meisten anderen Kumpels von einst heiraten früh,
haben die wichtigen familiären Interessen zu pflegen, viele ziehen um, weil in den meist kleineren Wohnungen oder Häusern der Platz nicht für zwei Familien reicht
oder es im Wohngebiet nichts Passendes gibt.
Wohnungswechsel
stand auch bei uns an, als ich noch bei den Eltern wohnte. Obwohl ich
immer gerne in meiner Gasse, der Straße auf dem Rosterberg, bleiben
wollte, kommt das mit 17 anders. Nach mehreren Anläufen wollen die
Eltern nun endlich in eine neue größere, modernere Wohnung
umziehen. Nicht so weit entfernt, immer noch am Fuße meines Hügels.
Aber doch so völlig anders. Das Wohnen war komfortabler, und hier
und da traf ich noch einen Kinderzeit-Genossen. Mit der eigenen
Hochzeit kam dann nochmals eine Wohnänderung in die benachbarte
Wohnsiedlung. Da nun alle früheren Kindheitsfreunde ihre eigenen
Familien mit Kind oder Kindern hatten und andere weit entfernt
wohnten, hatte sich vieles, nahezu alles, völlig verändert.
Wie der
Lauf des Lebens geht: Opa, Omas und Tanten starben und dann
irgendwann die eigenen Eltern, die wichtigster Teil der wunderschönen
Kindheit waren. Schon früh verstarben mein Bruder und alte
Straßenfreunde, Begleiter unbeschwerter Zeiten, von Spiel und Spaß.
Den einen oder anderen der ehemaligen Spiel- oder Schulkameraden
sieht man einmal hier und da und fragt: „Ist alles gut?“ „Im
Großen und Ganzen, ja.“ Treffmöglichkeiten sind auch die
Jubiläums-Konfirmationen und -Kommunionen. So ganz viel zu sagen hat
man sich nicht mehr, weil jeder sein eigenes, völlig anderes Leben
durchlaufen hat, weil die Lebensuhr ständig und unaufhaltsam bis zum Ende tickt.
Wäre
schön gewesen
Die
meist unbeschwerte Zeit der Kindheit können wir nicht festhalten.
Die Zeit rennt dahin und fordert ihren Tribut, ist auf Zukunft und
viele Veränderungen schon im nächsten Umfeld ausgelegt, Teil der
Schöpfung, in der immer wieder neues Leben entsteht und altes
verblasst. In diesem Kontext kann auch für uns persönlich der
Wunsch „So möge es immer sein“ keinen Bestand haben. Oft
schaffen wir als Teil aller Natur neues Leben, mal geht unseres zu
Ende.
Dass
alles ganz anders kommt, als wir uns das als Kinder erhofft und
erträumt haben, ist Teil der Lebenszeit, zu dem sich nach und nach die Erfahrungen gesellen, in der wir die kindliche Unbeschwertheit hinter uns lassen, aber auch den Schatz der Erinnerungen bergen und versuchen, das Beste aus dem Lauf der Dinge zu machen. Das kleine Teil des Kindheitskuchens wird zur großen Erwachsenen-Torte mit vielen Stücken, die mal gut und weniger gut schmecken, mal zuckersüß, mal fruchtig oder herb sind.
Die Uhr läuft unerbittlich weiter, das Leben geht seinen Gang.
Selbst, wenn
wir im Himmel sind, wovon wir uns kaum reale Vorstellungen machen
können, steht da noch das alte lateinische Wortspiel zweier Mönche
nach der Frage, wie es da oben sein wird: Taliter aliter, "ganz anders". Das
trifft aufs Leben zu: längst nicht so, wie einstens in der Kindheit gedacht oder
gewünscht!
Alle,
die eine wunderschöne Kindheit hatten, sollten es im Innern
festhalten: „Was für eine Zeit, wie gut und schön, dass wir das
erleben durften“.