Es grünt: Die Ähl am Rosterberg war früher beliebt für Osterspaziergänge. (Fotos: (c) presseweller)
Erzählung zu Osterfesten in den 1950er-/ -60er-Jahren
Uns Kindern war es
immer eine Lust, alleine durch die Siegener Wälder zu streifen oder
mit Eltern und Bekannten Spaziergänge zu machen, bei denen wir die
Freude an der Natur festigten und manches Neue entdecken oder
erfahren konnten. Schließlich veränderte sich die Natur ständig,
bewusst augenscheinlich aber alle paar Monate, so dass sich vor dem
Grün der Fichten und Tannen die Birken, Buchen und Eichen mal in
zartem, mal in intensivem hellen oder dunklen Grün und zur
Herbstzeit mit gelben, roten, braunen Blättern in allen
Zwischenfärbungen zeigten, dass die Augen Freudensprünge machten,
solch einen Laub- oder Mischwald mit seiner Farbfülle zu sehen - alles geschenkt von Mutter Natur, die diesen gewaltigen Farbrausch
inszeniert. Wir sahen Bäume mit Eicheln und Bucheckern sowie Tannen
und Fichten, die voller Zapfen hingen – alles den Naturgesetzen um
Leben und Überleben und weiterer Verbreitung der Art gewidmet, wie
es seit Ewigkeit geht und weiter seinen Lauf nimmt. Die Veränderungen
zu Herbst und Winter hin wiederum, wie man es uns erklärte, bewirke
auch der natureigene Schutzmechanismus, wodurch die Laubbäume bald ihre Blätter
fallen ließen, mit der sie sich ihrerseits gegen die Kälte
wappneten und uns die Freude bescherten, durch raschelndes Laub zu
gehen. Bei Schnee hatten freilich die Nadelbäume ihren Auftritt,
weil ein tief verschneiter Tann, bei dem die üppigen Nadeläste in
Weiß gekleidet sind, einfach festlich aussieht, erst recht, wenn es
zur Weihnachtszeit ist. So ist einmal das ganze Waldjahr kurz
gestreift, aber zur Osterzeit gab es in Kindheitstagen gleichwohl
Besonderheiten, wie wir es bei den Spaziergängen im Wald ebenfalls erlebten.
Spannender Ostertag
Bereits einige Tage
vor Ostern zogen wir mit Mutter oder Vater in den Wald. Es ging dabei
nicht nur darum, von der frisch-würzigen Luft zu kosten, sondern vor
allem darum, Moos zu sammeln. Hell-, dunkelgrün und dick wuchs das
Moos an manchen Stellen, von dem wir einige schöne Batzen in einen
Korb legten und mit nach Hause nahmen, weil daraus Nester entstehen
sollten, Osternester, in denen der Hase einen Platz fand, um die
bunten Eier abzulegen und vielleicht auch einmal ein
Schokoladenhäschen.
Aus weichem Moos lassen sich treffliche Osternester bauen!
An Ostersonntag nach dem Frühstück konnten wir
es kaum abwarten, in Garten und Haus zu schauen, ob der fleißige
Osterhase aus seiner Kiepe auch schon Eier in unsere Nester gelegt
hatte. Wenn die Zeit dafür gekommen war und Mutter erst einmal am
Fenster schaute, ob nun Meister Lampe seinen Dienst verrichtet hatte,
wurde ihre Stimme aufgeregter: „Kommt schnell, er war da und geht
weiter. Wenn ihr Glück habt, seht ihr ihn noch!“ Da war kein
Halten mehr und wir stürmten ans Fenster. „Dahinten! Oh. Jetzt ist
er weg!“ Wir wir uns auch bemühten: In den Blick bekommen haben
wir ihn nie. Und so ging es unseren Kindern und wohl den späteren
Kindergenerationen ebenfalls, weil der Hase einfach zu schnell ist
oder nicht gesehen werden will. Es sind diese Geschichten und
Legenden, die immer weiter in den Köpfen leben, Neugier, Spannung,
Freude und hoffende Träume bereiten, Erzählungen, die schon unsere
Eltern pflegten, von uns den eigenen Kindern weitergetragen, die sie
wiederum ihren Kindern, unseren Enkeln, vermitteln und die damit ein
ständiger Fortlauf der Traditionen und Erinnerungen sind und dem
Kindersinn helfen, Eindrücke und Geschichten zu sammeln und zu
bewahren und selbst auf Entdeckungen zu gehen. Damals hatten wir noch
keinen Osterhasen-Pokemon, der eventuell für die Welt der
Smartphones, Spiele und Apps noch kreiiert werden müsste. Oder doch
eher nicht! Vielleicht gibt es das auch schon!?
Meist waren Osternester auch noch im Haus versteckt. Gefunden!
Bunte Tupfer im Wald
Für viele andere
und uns war der Ostermorgen mit dem Kirchgang verbunden; in unserem
Bereich waren das die Martinikirche, die Peter-und-Paul-Kirche, das
Gemeindehaus am Rosterberg oder je nach Jahr auch noch die
Johanneskirche auf der Eintracht, ein Stück neben dem eingefassten Teich im großen Park, den einst Leonhard Gläser der Stadt gestiftet hatte. Wie bereits am Vorabend zur Einläutung des Festes zur Osternacht und den Feiertagen schienen am Ostersonntagmorgen die Glocken noch intensiver zu klingen als sonst,
festlicher, eindringlicher. Bald nach dem Gottesdienstbesuch freuten
wir uns auf ein festliches Mittagessen, das in den 1950er-Jahren an
solchen Feiertagen ganz anders als alltags war und auch noch ein
Stück weit üppiger als sonntags, weil die Eltern sich etwas
einfallen ließen, auch wenn die Einkommen in diesen Zeiten meist
noch knapp waren und „täglich Fleisch“ nicht auf dem
Wochen-Essensplan stand.
Nach der
Nachmittagskaffeezeit hieß es „Raus in die Frühlingsnatur“.
Die Luft war zur Osterzeit schon weit milder, als noch Wochen zuvor,
doch konnte es noch frisch sein, je nach dem wann das Fest war,
sodass das Sonntagsgewand noch um Pullover oder wärmendes Wämschen
und Mütze bereichert wurde. Manchmal sogar versuchte der Winter noch
eine Schneebresche in die zart blühende Landschaftswelt zu schlagen,
was ihm meist aber nur kurz gelang, da er schließlich seine Zeit
gehabt hatte und sich zumindest bis Ende Oktober zurückziehen
musste, um dem steten Erwachen und Erblühen der Natur nicht im Wege
zu stehen – so, wie es hierzulande im ständigen Kreislauf des
Jahres und seiner Jahreszeiten vorgegeben ist.
Beim
Osterspaziergang mit den Eltern lugte hier und da etwas Buntes hinter
einem Baum hervor oder lag im leichten Gestrüpp: ein rotes, grünes
oder gelbes Osterei, manches Mal auch eines in einer Braunfärbung,
wofür färbender Zwiebelsud Pate stand. Keine Frage, dass hier der
Osterhase mit seiner Kiepe umhergehoppelt war und üppig seine Fracht
verteilt hatte. Üppig deshalb, weil auch andere Kinder, die vorher
oder hinterher mit ihren Eltern über die Waldwege spazierten, mit
Eiern bedacht worden waren oder wurden. Für jeden etwas. Und wenn
wir in unseren Köpfchen darüber nachdachten und der Mutter sagten:
„Mama, das ist wie vor Weihnachten wie beim Nikolaus, nur jetzt ist
es früher“, dann musste sie schmunzeln: „Ja, so ähnlich ist
es.“
Nun aber hatte der
Osterhase seinen großen Auftritt in Gärten, Häusern und im Wald,
und da er nie dabei gesehen wart, glänzte er auf seiner Bühne mit den gut
gefüllten Nestern, die er damals wie heute hinterließ. Vater und Mutter erzählten,
wie fleißig er wäre und dass er alle Hände voll zu tun hätte,
weil er schon vormittags in den Gärten und Häusern unterwegs sei
und nachmittags in Wald und Flur und weil es schließlich doch
allerorten Kinder gebe, die zum großen Christenfeste auf diese
besonderen Eier warteten, die trefflich schmeckten, aber zum Teil
auch noch einen Mitnutzen hatten.
Eier kippen und rollen
Die Ostereier waren
zu mehr zu gebrauchen, als sie nur schnöde zu essen. Dieser
Mitnutzen kam dann, wenn wir mit anderen Kindern die Eier „kippten“;
so heißt das bei uns – und überall wieder anders -, wenn eine Art
Härtetest gemacht wurde. Jeder hatte ein Ei in der Hand, und so
schlug man es beim anderen an, zuerst an der Spitze, dann an der
runden flacheren Stelle. Das ging abwechselnd. Welches hält? Im
Normalfall musste das gesprungene Ei an den „Sieger“ abgegeben
werden, auf jeden Fall aber wurden die zerdöpperten Eier gegessen.
Manchmal hatte man ein Ei, dass alle Anstöße der anderen aushielt,
und so mancher sagte sich dann: „Das ist so fest, das behalte ich
mal noch für ein nächstes Spiel.“ So reihte es sich erst einmal
in die Reihe der ungegessenen Eier ein. Wir ließen Eier auch kleine
Hänge hinunterrollen, um zu sehen, welches am weitesten lief, und
wir warfen auf Wiesen Eier in die Höhe oder, viel praktischer, über
die Wäscheleine, wobei es wieder darum ging, welche Eier die
Prozedur überstanden. Eier wurden gerne gegessen, weil sie ein
wertvolles und gehaltvolles natürliches Nahrungsmittel sind. Und ist
das Ei, wenn es befruchtet ist, nicht zugleich das Symbol neuen
Lebens, irdisch vergänglich und wie die Frühjahrs-Natur immer
erzählend vom ewigen Werden und Vergehen?
Hat es überstanden oder wurde es noch gar nicht "gekippt"?
Schon die Eltern
erzählten uns damals, wie deren Eltern und unsere Großeltern wohl auch, dass Ostern ein großes Fest der Christenheit
ist, weil Jesus' Auferstehung gefeiert wird, wobei wir unserem
christlichen Glauben nach in den Zyklus von Palmsonntag an über Karfreitag eingebunden
waren, von Einzug, Abendmahl, Kreuzigung und Tod bis zur Wiederauferstehung. Nach dem
besonderen Fasttag an Karfreitag hatte mit Ostern die Fastenzeit ein
Ende, an die sich die einen mehr und die anderen etwas weniger hielten, wobei denn doch zumindest an Karfreitag Fastengerichte, häufig mit Fisch in durchaus leckeren Zubereitungen, auf dem Tisch standen, Und so war es für viele ein Wohlgefühl, spätestens ab Ostersonntag wieder ein üppigeres Mahl kosten zu können.
In der Schulzeit
erfuhren wir, dass das Wort Ostern wohl auf den Namen einer
germanischen Frühlingsgöttin, Ostara, zurückzuführen ist, was
aber nicht eindeutig ist, dass Menschen jüdischen Glaubens um die
Osterzeit das Passahfest (heute oft auch als Pessach bezeichnet)
feierten. Zur Osterzeit gibt es viele Bräuche wie die Osterfeuer und
geschmückte Brunnen, weil Wasser ein Zeichen des Lebens ist,
Osterlämmer und vieles mehr. Ostern ist ein „bewegliches“ Fest,
das je nach Art einen anderen Termin hat, jahreszeitlich doch stets
mit dem Frühling verbunden, dem Erwachen der Natur. (Georg Hainer)
In diesem Blog sowie auch über die Webseite http://www.buch-juwel.de lassen sich zahlreiche Gedichte und Geschichten sowie mehrseitige Magazine ohne Anmeldung aufrufen. Ein Teil dieser Erzählung ist für die Ausgabe 4 der Reihe "Früher in Siegen" vorgesehen. Mit diesem Beitrag sollten beim Verlag auch frühere Erzählweisen wieder eingeführt werden.